Valérie

Barbara Juliane von Krüdener
Valérie oder Briefe Gustavs von Linar an Ernst von G…

In der Übersetzung der erweiterten Fassung der Leipziger Ausgabe von 1804
Mit einer Einleitung und Anmerkungen neu herausgegeben von Isolde Döbele-Carlesso
2006. 288 Seiten. 130 x 205 mm. Gebunden.
ISBN 978-3939333-03-6
20,00 Euro

»… nie, nie gab es was Schöneres.
… das Schönste, Reinste, so ich jemals las.
Reine Moral, reine Liebe, fürtreffliche Ideen
über Italien und Freundschaft.«

So beurteilte die damals bekannteste deutsche Schriftstellerin Sophie von La Roche (1730–1803) den im Dezember 1803 in Paris erschienenen Roman.

Doch es gab auch eine ganze Reihe von Intellektuellen und Schriftsteller, welche die Krüdener und ihr Werk entschieden ablehnten.

In Frankreich wurde Juliane von Krüdener von den Romantikern wieder entdeckt. Es war vor allem der französische Schriftsteller und Literaturkritiker Charles-Augustin de Sainte-Beuve, der sich um den Roman bemühte und ihn 1837 neu herausgab zusammen mit einem Vorwort, in dem er sich für das Verständnis der Schriftstellerin einsetzte.

In Deutschland entstand im Laufe des 19. Jahrhunderts ein Krüdener-Bild voller Vorurteile, Unterstellungen und Verdrehungen, welches mitverantwortlich ist für die zum Teil bis heute andauernde unsachliche Beurteilung der Autorin und ihres Werkes. Dabei wurden ihr immer wieder Eitelkeit und der Wunsch nach Selbstdarstellung vorgehalten. So gesteht der Autor des Krüdener-Beitrags in der Allgemeinen Deutschen Biographie 1883 dem Roman wohl »Herzensgluth, Schwung des Gedankens, warme Naturempfindung, graziöse Darstellung auch der schwierigsten Situationen« zu, beim Lesen der Valérie habe man aber den Eindruck, dass der Roman nur zur Selbstverherrlichung der Autorin geschrieben sei, während im Vergleich dazu bei Goethes Werther »das Erlebnis des Einzelnen die Gesamtstimmung einer Zeit in vollendeter Individualisierung« dargestellt sei.

Victor Klemperer hat in Deutschland als erster die Bedeutung dieses Werks innerhalb der französischen Frauenliteratur jener Zeit erkannt und es entsprechend gewürdigt. Der Romanist Walter Pabst, der sich eingehender mit dem Roman beschäftigte und feststellte, dass selten die Kritik »so ungerecht und fahrlässig umgesprungen« sei wie mit Valérie, sieht in Juliane von Krüdener »eine bescheidene Vorläuferin von Marcel Prousts ›unfreiwilliger Erinnerung‹ in À la recherche du temps perdu«.

Was die Originalität des Werkes ausmacht und worin auch der Schlüssel seines Verständnisses liegt, ist die Art und Weise, wie die Autorin mit den verschiedenen Formen des Erinnerns umgeht. Die abwesende Vergangenheit versucht die Autorin wieder präsent zu machen, indem sie über erinnerte Empfindungen das Erlebte sinnlich rekonstruiert. Ein Experiment, das ihr im Roman mit viel Charme gelungen ist.

Juliane von Krüdener war eine faszinierende, widersprüchliche Persönlichkeit, eine Grenzgängerin, die sich, von innerer Unruhe getrieben, in verschiedenen Welten bewegte auf der Suche nach dem Sinn des Lebens, den sie schließlich in der Hinwendung zu Gott gefunden zu haben glaubte.

Die Neuausgabe lädt dazu ein, sich wieder unvoreingenommen mit der Schriftstellerin und ihrem Roman auseinanderzusetzen.